Zum Inhalt springen

Hertha BSC und Windhorst: Das war’s, Lars!

Lars Windhorst beendet seine Zusammenarbeit mit Hertha BSC. Konsequenz eines großen Irrtums. Findet unser Autor Ronald Toplak, der seit frühester Kindheit Fan der alten Dame ist. Und bleibt.

„Das kannste dir nicht ausdenken!“ Das schrieb mir spöttisch ein Freund, nachdem Lars Windhorst seinen Rückzug bei Hertha BSC bekannt gegeben hatte. Er kennt die Unwägbarkeiten des Fan-Daseins, stammt er doch aus Salzgitter, ist mit Eintracht Braunschweig und Hannover 96 sozialisiert. Nein, als Niedersachse hat man es auch nicht leicht. Sogar der mit VW-Millionen aufgemotzte VfL Wolfsburg ist mehr Schrotthaufen denn Nobelkarosse (von den Damen mal abgesehen). Seit 30 Jahren lebt er nun im Berlin. War Hertha-Reporter, ist mit dem Leiden des blau-weißen Anhangs also durchaus vertraut. Gegen die die Malaisen der Traditionsklubs seiner Heimat fast wie eine Wellness-Oase wirken dürften. Nun ist er also weg, der Lars. Das war’s. Der Investor mit großen Plänen. Vom Winde verweht. Und Hertha die Lachnummer der Nation. Mal wieder. Hertha hat sich zum Horst gemacht. Zum Windhorst. Dem gebeutelten Anhang bleibt nur ein krampfhaftes Alibi-Lächeln. 

Es war Liebe auf den ersten Blick. Blitzhochzeit. Doch schnell folgte Ernüchterung. Eine Ehe, die nie vollzogen wurde. Big City Club. Die alte Dame sollte in einem Atemzug mit Real Madrid, Bayern München, Manchester City, FC Liverpool oder Juventus Turin genannt werden. So der ambitionierte Plan von Windhorst. Übrig geblieben ist nicht mehr als Schlumpfdorf. Obwohl, das ist eine Beleidigung für die blau-weißen Kobolde. Als kleiner Junge spielte ich mit den kleinen Hartgummifiguren meine eigene Saison. Hertha BSSchlumpf war Serienmeister. Verlässliche Großinvestoren allein meine Eltern. Das war schön. Aber nur die zufriedene  Traumwelt eines Steppkes.

Eigentlich wiederhole ich mich ja, wenn ich über meinen Herzensverein Hertha BSC schreibe. Himmelhochjauchzend! Selten. Zu Tode betrübt. Oft. Was hat mein Vater nur getan, als er mich 1969 zum ersten Mal mit ins Olympiastadion mitnahm, den blau-weißen Virus einpflanzte? Unheilbar krank!  Sagt der Arzt. Gemein! Seitdem bin ich die personifizierte Klagemauer. Ein permanentes Glücksgefühl? Kenne ich nicht. Muss ja auch nicht sein. Aber ein bisschen wenigstens. Einen kleinen Happen Freude nur. Das wäre toll. Gerade dachte ich, dass es endlich aufwärts geht. Das Team ist engagiert, findet sich, macht sogar Spaß. Der Trainer könnte sich als Volltreffer entpuppen. Zudem hat mich Kay Bernstein bisher  eines Besseren belehrt. Der Präsidenten-Novize macht – wie ich finde – einen Riesenjob. Ja, ich gehörte zu den Zweiflern. Motto: Kayn Bernstein! Jetzt sage ich: Fein! Bernstein! So geht Boss! Bei ihm hat Fan das Gefühl, wieder mitgenommen zu werden. Alles wird gut? Denkste! Dann wäre Hertha nicht Hertha. Fatal total. Wieder mal. Es ist wie immer: Kaum scheint der 130 Jahre alte Dampfer in ruhige Gewässer zu schippern, läuft er auf Grund. Zwietracht. Vor und nach dem Tag der Einheit. Fußball und Investoren. Sicher, schon immer ein streitbares Thema. Die unheilige Allianz des Geldes eben. Man denke nur an die WM in Katar. Da bekomme ich sofort Halsschmerzen. Ging mir bei Lars Windhorst nicht anders. Dem ehemaligen Wunderkind von Altkanzler Helmut Kohl. Einem Seiltänzer, Finanz-Jongleur, dem schon oft die Bälle aus der Hand gefallen sind. Der aber immer wieder neue gereicht bekommt. 

Mit Hertha BSC folgte der nächste Fehlgriff. 

Der eine existenzielle Krise im Westend heraufbeschwören könnte. Grund für den jüngsten Eklat: Der Investor, der 2019 mit seiner Tennor-Gruppe bei Hertha eingestieg, soll eine Sicherheitsfirma beauftragt haben, um eine Kampagne gegen Ex-Präsident Gegenbauer zu fahren. Windhorst bläst der Gegenwind heftig ins Gesicht, aber er  dementiert energisch. Doch die „Financial Times“ will Dokumente eingesehen haben, die den Verdacht belegen. Konsequenz ist das endgültige Beben. Windhorst will die Zusammenarbeit beenden, bietet dem Klub den Rückkauf der für 374 Millionen Euro erworbenen Anteile an. Man kann gegen ihn sagen, was man will. Gezahlt hat er. Mir tat er fast leid, weil er mitansehen musste, wie die Kohle nahezu stümperhaft verbrannt wurde. Bernstein sei „erkennbar an einer vertrauensvollen und seriösen Zusammenarbeit nicht interessiert“, heißt es in einem Statement. Es gebe keine Basis und Perspektive mehr.

Windhorst will also weg. Gleich. Ab, durch den Notausgang. Wenn jemand die Anteile an der Hertha KG erwirbt. Doch wer kann – will – sich das leisten? Hertha jedenfalls nicht. Das Ende eines unrühmlichen Experiments, vergiftet durch Über- und Fehleinschätzungen, schlechte Investitionen, Halbwahrheiten, Missverständnisse,  Peinlichkeiten und Indiskretionen. 

Hertha wies die Vorwürfe zurück. Zu keinem Zeitpunkt habe man sich „vorverurteilend geäußert“, erklärte der Klub. Wahrscheinlich ist Windhorst dem Verein nur zuvor gekommen. Denn der prüft einen Antrag auf einen Vereinsausschluss. Eine  Vetrauensbasis für ein tragfähiges Miteinander war im Strudel von Vorwürfen, Beschuldigungen und offensichtlich fehlender Kommunikation sowieso nicht mehr im Ansatz gegeben.

Immer, wenn man im Westend ein kleines Pflänzchen Hoffnung in den kargen märkischen Sandboden setzt, wird es zertreten. Was bleibt? Achselzucken. Bei mir schon ein desillusionierter Standart-Reflex. Ich will zurück in mein Kinderzimmer. Zu meinen Schlümpfen. In das blau-weiße Abenteuerland eines Knirpses. Da war Hertha der Gewinner. Immer! In der Wirklichkeit gibt es dagegen nur Verlierer.

Wie es weitergeht? Ich bleibe Fan. Ein Leben lang. Was auch immer passiert. Aber kein Fantast. Was die Zukunft angeht. Dazu fehlt mir die Fantasie aus meiner Kindheit. Mein letzter Faustpfand ist Bernstein. Rettet er das leck geschlagene Schiff? Volldampf voraus! Damit ich nicht irgendwann sagen muss: Hertha? Fand ich gut!

Bild: picture alliance / contrastphoto | O.Behrendt