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Handball-WM: Verloren. Herzen gewonnen.

Handball, Frauen: WM, Deutschland - Norwegen,

Hallo Machos, ich war einer von euch.

Ich habe gelacht, wenn es hieß: Frauenhandball. Es war kein böses Lachen, eher eines dieser selbstzufriedenen, beiläufigen Lächeln, hinter dem sich eine ganze Reihe schlecht gealterter Gewissheiten verbarg. In meinem Kopf war das alles irgendwie weniger: weniger Wucht, weniger Drama, weniger Bedeutung. Ich hielt das für Erfahrung, für Urteilskraft, vielleicht sogar für Humor. In Wahrheit waren es Vorurteile. Und ja – ich war ein Idiot.

Dann kam Rotterdam.

Das Finale der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen begann, und mit ihm dieses kaum erklärbare Gefühl, als hätte jemand die Luft in der Halle dichter gemacht. Auf der einen Seite Norwegen, diese Übermannschaft der vergangenen Jahre, deren Titel sich aneinanderreihen wie Jahresringe eines sehr alten, sehr erfolgreichen Baumes. Auf der anderen Seite unsere Mädels. Keine Pose, kein Getöse, nur dieser stille Ernst, der sagt: Wir sind bereit.

Und wir begannen zu träumen. Nicht laut, nicht größenwahnsinnig, sondern vorsichtig, beinahe schamhaft, mit angehaltenem Atem. Es waren diese Minuten, in denen selbst Gigantinnen ins Wanken geraten, in denen man plötzlich merkt, dass Geschichte nicht nur etwas ist, das man erzählt bekommt, sondern etwas, das gerade entsteht. Am Ende stand ein 20:23, Norwegen wurde zum fünften Mal Weltmeister. Es war knapp, so verdammt knapp, dass der Traum noch einen Moment länger im Raum blieb, als hätte er vergessen zu gehen.

Was ich sah, war kein Scheitern. Es war auch kein „fast“.

Was ich sah, war alles.

Ich sah Wille, Mut und Leidenschaft, verdichtet zu einem Kampf, der mich auf eine Weise berührte, die ich nicht erwartet hatte. Und während ich zusah, merkte ich, wie sich etwas verschob – nicht auf der Anzeigetafel, sondern in mir.

Der Frauenhandball, begriff ich plötzlich, ist der Familienblock der Fankultur. Ohne verlogenen Zuckerguss, ohne aufgepumpte Aggression. Da stehen Kinder, da sitzen Eltern, da sind Familien, da sind Menschen. Alle schauen. Und niemand schreit irgendwen an. Kein Hass, keine Häme, keine giftigen Gesten. Stattdessen sieht man Spielzüge, Übersicht, Fairness – und ein Tempo, das nicht aus Hast besteht, sondern aus Klarheit.

Heute weiß ich: Das hier ist nicht weniger.

Das ist mehr.

Mehr Handball, weil es das Spiel ernst nimmt.

Mehr Ehrlichkeit, weil es nichts beweisen muss.

Mehr Nähe, weil man sich nicht hinter Lärm versteckt.

Diese Mannschaft hat uns etwas gezeigt, das in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, selten geworden ist: Zusammenhalt, Gemeinschaft, dieses große, oft missbrauchte Wort WIR – hier nicht als Parole, nicht als Marketing, sondern als gelebte Praxis auf 40 mal 20 Metern. Füreinander laufen, füreinander kämpfen, sich auffangen, wenn der letzte Wurf nicht fällt, und trotzdem stehen bleiben. Zusammen.

Das ist Frauen-Empowerment vom Allerfeinsten. Ohne Theatralik, ohne Pathos, einfach durch Haltung.

Sie haben keine Goldmedaille gewonnen, aber sie haben etwas Schwereres geholt. Ein fantastäisches Silber, das nicht glänzt, weil es tröstet, sondern weil es ehrlich ist – und weil man spürt, wie nah alles beieinander lag.

Diese Mannschaft ist ein Mentalitäts-Monster. Ein Team, das lebt. Eine Zukunft, die golden schimmert, auch wenn heute Silber um den Hals hängt.

Mädels, seid stolz auf euch. Wir sind es. Und ich ganz besonders, weil ihr mich in meiner Macho-Arroganz eines Besseren belehrt habt.

Verloren?

Vielleicht.

Herzen gewonnen?

Ganz sicher.