Anfang der 1990iger traf ich Jack White. Damals Präsident von Tennis Borussia Berlin. Einen ehemaligen Fußballer. Vom legendären Hennes Weisweiler entdeckt. Der für andere Welthits schrieb. Der den Frieden und die Liebe suchte.
Der Musikproduzent Jack White ist gestorben.
Der 85-Jährige wurde am Donnerstagmorgen tot in seiner Villa in Berlin-Grunewald aufgefunden.
Er kam vom Fußball. Und blieb wegen der Musik.
Horst Nußbaum, später Jack White genannt, war ein Mann, der das Leben als eine Serie von Refrains verstand: manche in Moll, manche in Dur, und manche, die einfach nicht mehr aus dem Kopf gingen.
Geboren 1940 in Köln, Metzgerssohn, ausgebildeter Außenhandelskaufmann, Profifußballer beim SC Viktoria Köln, beim FK Pirmasens, beim PSV Eindhoven. Hennes Weisweiler erkannte früh sein Talent. Eine Verletzung beendete seine sportliche Laufbahn – und wurde zum Wendepunkt. White widmete sich ganz der Musik. Was dann kam, war eine zweite Karriere, die klingt wie ein Best-of-Album des deutschen Pop. Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Gloria. Self Control.
Musik, die aus Autoradios drang, über Tanzflächen waberte, die man mitpfiff, auch wenn man gar nicht wollte. White schrieb, produzierte, erfand immer weiter.
Sein wohl berühmtester Song begann unscheinbar – 1978, gesungen von Marc Seaberg: I’ve Been Looking for Freedom. Im selben Jahr machte Tony Marshall daraus Auf der Straße nach Süden. Elf Jahre später stand David Hasselhoff auf der Berliner Mauer, sang diesen Refrain – und plötzlich war Whites Werk Teil eines weltgeschichtlichen Moments. Freiheit, als Pop-Melodie.
Im Dezember 1976 schaffte er es sogar auf die Titelseite des Kicker. Als Füsballer: „5:1! Jack White war ein Reinfall!“
Tennis Borussia Berlin, damals Erstligist, hatte den sonst bei den Amateuren spielenden Schallplattenmillionär in einem DFB-Pokal-Spiel beim 1. FC Köln als Libero aufgestellt. White verschuldete prompt einen Elfmeter und wurde ausgewechselt, als alles zu spät war. Die Hintergründe blieben diffus – aber wer behauptete, er habe sich den Einsatz in seiner Geburtsstadt erkauft, dürfte nicht ganz falsch gelegen haben. Man sprach von 500000 Mark.
Bei TeBe blieb er danach Mäzen, später Trainer der Frauenmannschaft – der erste in der Vereinsgeschichte – und schließlich von 1992 bis 1997 Präsident. Unter seiner Führung stieg Tennis Borussia bis in die 2. Bundesliga auf. Als er 1995 zurücktrat, hinterließ er einen hochverschuldeten Verein, der später von der „Göttinger Gruppe“ übernommen wurde. Ein Mann, der an sich glaubte – manchmal zu sehr. Heute spielt TeBe in der 5. Liga. Aber Jack White blieb Fan, bis zum Ende.
Ich erinnere mich an ihn im Mommsenstadion, kurz vor einem Interview.
Er stand am Spielfeldrand, Hände in den Taschen seines lila Sakkos, die Sonne blendete, und in der Mitte des Rasens trainierte seine Mannschaft.
Er lachte, charmant, kontrolliert, der Macher, der wusste, dass Kameras ihn liebten. Und dann, plötzlich, drehte er sich zu seinen Spielern und sagte, halb im Scherz, halb im Ernst:
„Passt auf meine Frau auf.“
Erst als er sich diesbezüglich versichert hatte, sprach er mit mir. Es war dieser Moment, der mir bis heute bleibt – weil er alles zeigte, was man sonst hinter seiner Fassade nie sah.
Diese Frau, Janine – eine Journalistin, eine Kollegin, klug, elegant, mit dieser seltenen Mischung aus Disziplin und Wärme. Sie hatte Ausstrahlung, die ganze Räume veränderte. Und er wusste das. Man sah es in seinem Blick: Sorge, Eifersucht, Angst.
Kann ich sie halten?
Hinter dem Erfolg, hinter der Selbstgewissheit des Produzenten blitzt für einen Augenblick etwas anderes auf – Unsicherheit.
Der Mann, der sonst alles lenkte, wirkte plötzlich verletzlich, fast schutzlos.
In der Liebe blieb Jack White immer auf der Suche.
Privat führte er ein bewegtes Leben: viermal verheiratet, Vater von sieben Kindern. Janine heiratete er nach zwei gescheiterten Ehen. Sie war nicht nur seine Partnerin, sondern auch geschäftlich in seiner Produktionsfirma beteiligt. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor – Ella und Gloria – bevor sich das Paar im Januar 2010 trennte.
Die Trennung machte Schlagzeilen, der Rosenkrieg dauerte Jahre. Erst im Dezember 2014 wurden sie endgültig geschieden.
„Jack White hat mir nie verziehen, dass ich ihn verlassen habe“, sagte Janine später. „Es ging um gekränkten Stolz.“
2015 heiratete Jack White erneut – die russlanddeutsche Rafaella Nußbaum, knapp 45 Jahre jünger als er. Mit ihr bekam er zwei Kinder: Sohn Maximilian, geboren 2019, und Tochter Angelina Melody, geboren 2023.
Er nannte sich scherzhaft den „ältesten lebenden Doppel-Papa der Welt“ – und meinte es wohl halb im Spaß, halb im Stolz.
Nach rund 15 gemeinsamen Jahren gaben Jack White und Rafaella Nussbaum im Oktober 2025 ihre Trennung bekannt.
„In Freundschaft, aber endgültig“, hieß es.
Wenige Tage später wurde Jack White tot in seiner Villa aufgefunden.
Ein Mann, der im Fußball große Visionen hatte, für andere die großen Melodien schrieb, hatte seine eigene vielleicht schon lange vorher leiser werden hören.
Doch irgendwo läuft sie noch, diese eine Zeile, die ihn unsterblich machte:
I’ve been looking for freedom …
Und man weiß – sie gilt am Ende auch ihm.
Bildnachweis: picture alliance / Alexander SCHUHMANN_aI | Alexander Schuhmann
Ronald Toplak, geboren am 5. Februar 1965 in Berlin, ist seit über 30 Jahren im Sportjournalismus für verschiedene Hauptstadt-Medien tätig. 25 davon als Redakteur beim Berliner Kurier. Er schreibt – nach einer gesundheitlichen Auszeit – nun als freier Autor.